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Sozial-emotionale Kompetenz

Lachende Kinder und eine Frau legen ihre Hände auf einen Bücherstapel

Seit Jennings und Greenberg (2009) in ihrem Modell des prosozialen Klassenraums die Relevanz der sozial-emotionalen Kompetenz für gutes Unterrichten und das persönliche Wohlbefinden hervorgehoben haben, ist dieses Konstrukt zunehmend in den Fokus pädagogisch-psychologischer Forschung gerückt. Es wird angenommen, dass Facetten der sozial-emotionalen Kompetenz notwendiges Wissen und Können zur erfolgreichen Bewältigung der sozialen und emotionalen Herausforderungen des beruflichen Alltags von Lehrkräften bereitstellen.

Lehrkräfte mit hoher sozial-emotionaler Kompetenz…

  • erkennen die Emotionen ihrer Schülerinnen und Schüler. Sie wissen, welche Auslöser es für positive und negative Emotionen gibt und welche Rolle ihr eigenes Verhalten für das emotionale Erleben ihrer Schülerinnen und Schüler spielt. Beispielsweise können sie ängstliche Schülerinnen und Schüler ermutigen oder sind in der Lage, ihre Unterrichtsmethoden bei aufkommender Langeweile anzupassen.
  • können die eigenen Emotionen wahrnehmen und regulieren. Anstatt zum Beispiel ihren Ärger über die fehlende Motivation einer Schülerin oder eines Schülers offen zu zeigen oder zu unterdrücken, ändern sie ihren Blickwinkel oder suchen aktiv nach Lösungen, um ähnliche Situationen künftig zu vermeiden.
  • verfügen über vielfältige Strategien zur Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen. Sie wissen beispielsweise, wie sie andere in schwierigen Situationen unterstützen können, sie kennen Möglichkeiten, um Konflikte zu lösen und ihre eigenen Ziele durchzusetzen, während die gute Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern gewahrt wird.

In unserer aktuellen Forschung widmen wir uns schwerpunktmäßig folgenden Fragen:

Welche Bedeutung hat die sozial-emotionale Kompetenz für die berufliche Performanz?

Das Modell des prosozialen Klassenraums (Jennings & Greenberg, 2009) stellt die Bedeutung der sozial-emotionalen Kompetenz von Lehrkraft in den Mittelpunkt. So kann die Fähigkeit, Emotionen der Schülerinnen und Schüler zu erkennen, die Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern stärken und Lehrkräften helfen, ihren Unterricht besser an individuelle Bedürfnisse anzupassen (Pianta, 1999). Die Fähigkeit, die eigenen Emotionen zu regulieren wiederum, ist besonders relevant, da Emotionen das Denken und Handeln von Lehrkräften steuern (Frenzel et al., 2021). In unserer Forschung konnten wir zeigen, dass Schülerinnen und Schüler weniger Mathematikangst berichten, wenn ihre Lehrkräfte aufmerksam für ihre emotionalen und akademischen Probleme sind (Aldrup et al., 2020). Zudem fanden wir in Überblicksarbeiten erste Hinweise darauf, dass die Empathie und Emotionsregulation von Lehrkräften mit ihrer beruflichen Performanz assoziiert sind, wenngleich die Studienlage inkonsistent war und weitere Forschung in diesem Bereich notwendig erscheint (Aldrup et al., 2021, submitted).

Kann man die sozial-emotionale Kompetenz messen?

Um aussagekräftige Erkenntnisse über die Bedeutung sozial-emotionaler Kompetenz von Lehrkräften zu gewinnen, ist es entscheidend, zuverlässige und valide Messinstrumente einzusetzen. (Angehende) Lehrkräfte und Personen, die in der Aus- und Weiterbildung tätig sind, können diese Messverfahren zur Identifikation individueller Stärken und persönlicher Entwicklungsfelder ebenfalls nutzen.

Erste Studien zeigen, dass objektive Testverfahren im Vergleich zu Selbsteinschätzungen der Kompetenz besser geeignet sein könnten, um das Verhalten in zwischenmenschlichen Situationen vorherzusagen. Darüber hinaus erscheint eine professionsspezifische Erfassung aufgrund der besonderen Anforderungen, die die Interaktion mit den Schülerinnen und Schülern stellt, sinnvoll.

Basierend auf diesen Überlegungen haben wir das professionsspezifische Testverfahren TRUST entwickelt, welches zum einen Wissen über die Regulation der eigenen Emotionen und zum anderen Wissen über Strategien zum Aufbau positiver pädagogischer Beziehungen misst (Aldrup, Carstensen et al., 2020). Im TRUST werden typische Situationen aus dem Lehrkräfteberuf und vier Handlungsoptionen dargeboten, die sich dahingehend unterscheiden, wie effektiv sie mit Blick auf die Regulation der eigenen Emotionen bzw. der Beziehung zwischen Lehrkraft und ihren Schülerinnen und Schülern sind. Lehrkräfte, die diesen Test bearbeiten, müssen bei jeder Situation entscheiden, für wie effektiv sie die jeweilige Handlungsoption halten.

Der TRUST konnte in ersten Studien erfolgreich eingesetzt werden. Wir fanden dabei heraus, dass Lehrkräfte, die mehr über die Regulation ihrer eigenen Emotionen und über Strategien für den Aufbau positiver pädagogischer Beziehungen wissen, angeben, ihre Schülerinnen und Schüler mehr zu unterstützen. Die Klassenführung gelingt ihnen jedoch nicht besser (Aldrup, Carstensen et al., 2020).

Lässt sich die sozial-emotionale Kompetenz erlernen und fördern?

Theoretisch wird angenommen, dass die sozial-emotionale Kompetenz der Lehrkraft ein entscheidender Faktor für die berufliche Performanz ist (Jennings & Greenberg, 2009). Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger fühlen sich durch ihr Lehramtsstudium allerdings häufig nicht ausreichend auf das Unterrichten und den Umgang mit Schülerinnen und Schülern vorbereitet (Klusmann et al., 2012; Schmidt et al., 2016; Tynjälä & Heikkinnen, 2011). Vor diesem Hintergrund wollten wir herausfinden, inwiefern sich die sozial-emotionale Kompetenz während des Lehramtsstudiums entwickelt. Zudem war es unser Anliegen, ein Trainingsprogramm für Lehramtsstudierende zu konzipieren, dass die Förderung der sozial-emotionalen Kompetenz als Zusammenspiel aus theoretischem Wissen und praktischen Fähigkeiten spezifisch adressiert.

Wir haben Lehramtsstudierende über einen Zeitraum von zwei Jahren wiederholt zu ihrer sozial-emotionalen Kompetenz befragt und konnten im Mittel kaum Entwicklungen feststellen, was darauf hindeutet, dass die Inhalte des Lehramtsstudiums nicht zur Förderung der sozial-emotionalen Kompetenz beitragen (Carstensen & Klusmann, 2020). Dass eine Förderung aber durchaus möglich ist, zeigten die Ergebnisse der Evaluationsstudie zu einem von uns entwickelten Trainingsprogramm. Die Teilnahme am Training wirkte sich bei Lehramtsstudierenden positiv auf die Entwicklung der sozial-emotionalen Kompetenz aus. Zudem hat das Training eine hohe Akzeptanz bei den Studierenden, die die Inhalte als sehr relevant für ihre zukünftige Berufstätigkeit ansehen (Carstensen et al., 2019).

Um Näheres zu unserem Training zu erfahren, klicken Sie hier: Trainingsprogramm SOKO-L

Unsere Arbeiten und weitere Quellen

Unsere Arbeiten

Aldrup, K., Carstensen, B., Köller, M. M., & Klusmann, U. (2020). Measuring Teachers’ Social-Emotional Competence: Development and Validation of a Situational Judgment Test. Frontiers in Psychology, 11. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2020.00892

Aldrup, K., Carstensen, B., & Klusmann, U. (2021). Is empathy the key to effective teaching? A systematic review of its association with teacher-student interactions and student outcomes. Educational Psychology Review. Advance online publication. https://doi.org/10.1007/s10648-021-09649-y

Aldrup, K., Carstensen, B., & Klusmann, U. (2021). The role of teachers’ emotion regulation in teacher-student interactions and student outcomes: A systematic review and meta-analysis. [Manuscript submitted for publication]. IPN – Leibniz-Institute for Science and Mathematics Education, Kiel.

Aldrup, K., Klusmann, U., & Lüdtke, O. (2020). Reciprocal associations between students’ mathematics anxiety and achievement: Can teacher sensitivity make a difference? Journal of Educational Psychology, 112(4), 735-750.

Carstensen, B., & Klusmann, U. (2021). Assertiveness and adaptation: Prospective teachers' social competence development and its significance for occupational well-being. The British Journal of Educational Psychology, 91(1), 500–526.

Carstensen, B., Köller, M., & Klusmann, U. (2019). Förderung sozial-emotionaler Kompetenz von angehenden Lehrkräften. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 51(1), 1–15. https://doi.org/10.1026/0049-8637/a000205

Klusmann, U., Kunter, M., Voss, T., & Baumert, J. (2012). Berufliche Beanspruchung angehender Lehrkräfte: Die Effekte von Persönlichkeit, pädagogischer Vorerfahrung und professioneller Kompetenz. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 26, 275–290. https://doi.org/10.1024/1010-0652/a000078

Schmidt, J., Klusmann, U., Lüdtke, O., Möller, J., & Kunter, M. (2017). What makes good and bad days for beginning teachers? A diary study on daily uplifts and hassles. Contemporary Educational Psychology, 48, 85–97.

Quellen

Frenzel, A. C., Daniels, L., & Burić, I. (2021). Teacher emotions in the classroom and their implications for students. Educational Psychologist, 58(6), 1–15. https://doi.org/10.1080/00461520.2021.1985501

Jennings, P. A., & Greenberg, M. T. (2009). The prosocial classroom: Teacher social and emotional competence in relation to student and classroom outcomes. Review of Educational Research, 79, 491–525. https://doi.org/10.3102/0034654308325693

Pianta, R. C. (1999). Enhancing relationships between children and teachers. Washington, DC: American Psychological Association.

Tynjälä, P., & Heikkinen, H. L.T. (2011). Beginning teachers’ transition from pre-service education to working life. Zeitschrift Für Erziehungswissenschaft, 14 (1), 11–33. https://doi.org/10.1007/s11618-011-0175-6

Warum ist insbesondere das Trainingsformat zur Förderung der sozial-emotionalen Kompetenz geeignet?
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