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SOKO-L

Das von uns entwickelte Trainingsprogramm zur Förderung der sozial-emotionalen Kompetenz bei (angehenden) Lehrkräften gliedert sich in drei Themenbereiche, die in insgesamt 12 Sitzungen zusammen mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmer erarbeitet werden (s. Abbildung).

Themen des Trainings im Podcast

Das Trainingsprogramm wurde in Kooperation mit dem Institut für pädagogisch-psychologische Lehr- und Lernforschung (IPL) der Christian-Albrechts-Unviersität zu Kiel entwickelt. In einem Podcast – Das menschliche Klassenzimmer – tauschen sich Dr. Michaela Köller und Fiete Wandhoff vom IPL aktuell mit engem Bezug zu den Inhalten des Trainings aus und verknüpfen Detailwissen mit persönlichen Anekdoten und Praxistipps.

Abbildung: Trainingskonzept
Trainingskonzept

Jede der Sitzung dauert 90 Minuten. Die einzelnen Sitzungen sind einheitlich aufgebaut und bestehen jeweils aus einer theoretischen Inputphase, einer Elaborationsphase und einer Transferphase. Der theoretische Input leitet das jeweilige Thema ein und verschafft den Teilnehmenden die notwendigen Wissensgrundlagen. Die Inhalte werden im Rahmen der Elaborationsphase mittels Einzel- oder Gruppenaufgaben bzw. Diskussionen vertieft. Die Förderung von Anwendungsfähigkeiten erfolgt in der Transferphase, z. B. mittels (videographierter) Rollenspiele oder der Bearbeitung von Fall- und Videovignetten. Hausaufgaben fördern je nach Aufgabenstellung das theoretische Wissen, dessen Elaboration oder den Transfer, etwa bei der Anwendung des Gelernten in Alltagssituationen (s. nächste Abbildung).

Abbildung: Methoden zur Vermittlung der sozial-emotionalen Kompetenz
Methoden zur Vermittlung der sozial-emotionalen Kompetenz

Um Ihnen einen Einblick in das Training zu ermöglichen, stellen wir untenstehend jede Trainingseinheit vor. Sie können diese Ausschnitte gerne nutzen, um sich ein konkreteres Bild zu den Aktivitäten im Training zu machen.

Wissen über Emotionen

Diese Trainingseinheit verfolgt die Lernziele, das Erkennen und die Benennung von Emotionen zu fördern sowie ihren Einfluss auf das Verhalten zu erkennen.

Hierfür wird im Rahmen der zugehörigen Sitzungen der theoretische Hintergrund zum Konzept der Emotionen dargestellt, u. a. wie diese Entstehen und welche Funktion sie übernehmen. Die Vorstellung und Diskussion empirischer Befunde hinsichtlich des emotionalen Erlebens im Schulkontext, sowohl für die Lehrkraft als auch für ihre Schüler*innen, macht die Bedeutung von Emotionen für die erfolgreiche Gestaltung des Schulalltags deutlich.

Elaboriert wird das theoretische Wissen durch die Bearbeitung von authentischen Praxisbeispielen, z. B. im Rahmen der Analyse von videobasierten und schriftlichen Unterrichtssequenzen, die vom emotionalen Erleben der Lehrkraft und der Schüler*innen geprägt sind. Hierbei werden sowohl problematische Fälle als auch Positivbeispiele analysiert. Auf diesem Wege wird den Teilnehmer*innen die Möglichkeit gegeben, sich ein differenziertes Bild über die positiven und negativen Effekte von Emotionen auf das eigene Verhalten, auf das Schülerverhalten sowie die soziale Interaktion im Unterrichtskontext zu machen.

Um die subjektive und bewusste Wahrnehmung der eigenen Emotionen und typischer kognitiver Bewertungsprozesse zu fördern, bearbeiten die Teilnehmer*innen parallel zu den Sitzungen ein Emotionstagebuch. Hierin sollen die Teilnehmer*innen ihre täglichen Emotionen beschreiben und auslösende Bedingungen identifizieren.

Regulation von Emotionen

Das in der ersten Trainingseinheit erarbeitete Wissen über Emotionen wird nun durch die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten zum Umgang mit Emotionen erweitert. Konkrete Lernziele bestehen darin, dass die Teilnehmer*innen verschiedene Wege zur Emotionsregulation kennlernen, diese in Bezug auf ihre Güte und Anwendbarkeit bewerten können sowie die Anwendung positiv bewerteter Strategien üben.

Die Basis für die Arbeit in diesem Themenbereich bildet das von James Gross entwickelte Modell zur Emotionsregulation. Es ordnet dem Verlauf der Emotionsenstehung unterschiedliche Strategien zur Regulation zu, die wiederum durch eine Vielzahl konkreter Maßnahmen repräsentiert werden. Zu den Strategien zählen u. a:

  • die Auswahl bzw. Veränderung einer Situation (z. B. die Gestaltung der Rückgabe einer Klassenarbeit)
  • die Verschiebung des Aufmerksamkeitsfokus (z. B. auf besonders (un-)motivierte Schüler*innen achten)
  • die kognitive Umbewertung (z. B. "trotz des allgemeinen Lernrückstands macht die Klasse nach und nach kleine Fortschritte")
  • sowie die Reaktionsveränderung (z. B. Enttäuschung über die Ergebnisse der Klassenarbeit unterdrücken).

Abhängig vom jeweiligen Kontext unterscheiden diese Strategien sich hinsichtlich ihrer positiven und negativen kurz- bzw. langfristigen Folgen für das eigene Wohlbefinden und die Interaktionsgestaltung. Mithilfe des Online-Tagebuchs (s. Reiter Wissen über Emotionen) werden die Angaben der Teilnehmer*innen zu ihrer Emotionsregulation unter Rückgriff auf das Modell zur Emotionsregulation systematisiert und gemeinsam auf Basis der Modellannahmen diskutiert sowie hinsichtlich ihrer Angemessenheit bewertet. Zusätzlich dienen empirische Befunde zur Emotionsregulation der Einschätzung ihrer Anwendbarkeit im Schulkontext . Aus der Arbeit am Emotionsregulationsmodell können die Teilnehmer*innen schlussfolgern, dass eine ganzheitliche Veränderung der erlebten Emotion mittels adaptiver Emotionsregulation (z.B. kognitive Umbewertung) positiv mit dem eigenen Wohlbefinden und dem Verhalten in sozialen Interaktionen assoziiert ist und den negativen Folgen einer emotionalen Dissonanz vorbeugt. Eine Voraussetzung für die adaptive Emotionsregulation ist die Fähigkeit zur bewertungsfreien Wahrnehmung, die vorwiegend durch eine achtsame Grundhaltung erreicht wird. Entsprechend wird mit den Teilnehmer*innen auch das Thema Achtsamkeit behandelt. In diesem Rahmen führen sie spezifische Achtsamkeitsübungen durch. Außerdem werden Handlungsanweisungen für achtsames Verhalten im Alltag, d. h. die bewertungsfreie Wahrnehmung einer aktuellen Situation erarbeitet.

Im letzten Abschnitt des Themenbereiches Regulation von Emotionen werden die bereits für die eigene Person behandelten Inhalte auf andere Personen bzw. potentielle Interaktionspartner*innen erweitert. In Gruppenarbeit wird die Übernahme der Schüler*innenperspektive geübt und ihr Nutzen für den Unterricht sowie die Lehrkraft-Schüler-Beziehung diskutiert. Außerdem wird die Anwendung empathischen Verhaltens gegenüber den Schüler*innen eingeübt. Abschließend wird den Teilnehmer*innen aufgezeigt, dass Perspektivenübernahme und empathisches Verhalten in Abhängigkeit der externen Gegebenheiten (z. B. Klassengröße, gemeinsame Zeit mit der Klasse, Zeitdruck etc.) mit unterschiedlich hohen Kosten hinsichtlich der eigenen Ressourcen einhergehen. Für den flexiblen und ressourcensparenden Einsatz von Empathie werden unterschiedliche Strategien vermittelt.

Soziale Fähigkeiten

Gemäß der hierarchischen Struktur der sozial-emotionalen Kompetenz dienen die in den vorangegangenen Trainingselementen vermittelten Fähigkeiten als Grundlage für die Förderung sozialer Fähigkeiten. Im Rahmen dieses Themengebiets liegt die Zielsetzung darin, dass die Teilnehmer*innen ihr Wissen über den sozialen Kontext Schule erweitern und für diesen Kontext spezifische soziale Fähigkeiten erwerben.

Im Bereich des Wissens werden die Rolle der eigenen Wahrnehmung sowie die Relevanz der sozialen Motive von Schüler*innen unterschiedlicher Altersstufen thematisiert. Des Weiteren werden spezifische Fähigkeiten vermittelt, die die angemessene Durchsetzung eigener Forderungen erleichtern und gleichzeitig die kooperativer Verhaltensweisen unterstützen, die zur Etablierung einer kooperierenden und insgesamt positiven Lehrkraft-Schüler-Beziehung beitragen.

Die Vermittlung des theoretischen Wissens ermöglicht den Teilnehmenden eine informierte Erklärung von problematischen Verhaltensweisen der Schüler*innen, die über narive Schlussfolgerungen (z. B. "Die Schülerin/der Schüler will mich persönlich angreifen") hinausgeht und motivieren zur Anwendung von Verhaltensweisen, die zu einer positiven Lehrkraft-Schüler-Beziehung beitragen, indem die psychologischen Grundbedürfnisse
bzw. sozialen Leitmotive der Schüler*innen Berücksichtigung finden. Basierend auf dem Interaktionsmodell von Wubbels und Brekelmans wird das Verhalten der Lehrkraft in der Interaktion mit den Schüler*innen auf zwei Dimensionen verortet, die kooperative und einflussnehmende Verhaltensweisen unabhängig voneinander abbilden. Die Teilnehmer*innen schätzen sich auf diesen Dimensionen selbst ein und erarbeiten persönliche Entwicklungsziele.

Eine zentrale Schlussfolgerung aus der Arbeit an diesem Modell ist, dass sowohl kooperierendes als auch einflussnehmendes bzw. dominantes Verhalten gleichzeitig möglich ist und sich nicht gegenseitig ausschließt. Gemäß dieser Dimensionen üben die Teilnehmer*innen im weiteren Verlauf des Trainings kooperierende Verhaltensweisen (Dimension Nähe) und angemessenes Durchsetzungsverhalten (Dimension Einfluss). Diese Inhalte werden jeweils über die Darstellung eines schematischen Ablaufs eingeführt. Die Elaboration und praktische Übung der Verhaltensweisen geschehen mittels der Analyse neu konstruierter Fallvignetten und der Durchführung von Rollenspielen. Ergänzend zur Einübung dieser Verhaltensweisen wird mit den Teilnehmer*innen der Umgang mit Konfliktsituationen eingeübt. Als Basis dient das konstruktive Konfliktgespräch nach Thomas Gordon. Das Ziel des konstruktiven Konfliktgesprächs liegt in der Konfliktlösung ohne Niederlage, d. h. die Konfliktparteien erarbeiten gemeinsam und gleichberechtigt eine Konfliktlösung, die für alle Beteiligten annehmbar ist. Als erstes werden den Teilnehmenden die einzelnen Schritte des Konfliktlöseprozesses vorgestellt. Wie zuvor für das Kooperations- und Durchsetzungsverhalten erfolgt die praktische Einübung mittels Fallvignetten und Rollenspielen.